Wie ein guter Wein, nur für die Ohren

Auf den hochauflösenden Fernseher folgt die hochauflösende Hi-Fi-Anlage

Simone Luchetta

Kazuo Hirai liess an der IFA in Berlin keinen Zweifel: «Wir sehen in High-Resolution-Audio einen Weg, der Musikindustrie neues Leben einzuhauchen», sagte der charismatische Sony-Chef vergangene Woche zur Presse. «Wir sehen darin die Zukunft unseres Musikgeschäfts.»

Seine Absicht ist klar, wie jene von Musikfirmen wie Marantz, ­Pioneer, Panasonic oder Onkyo. Nachdem das hochauflösende Bild den Absatz von Fernsehgeräten angekurbelt hat, soll nun Hochauf­lösendes für die Ohren Schwung ins Business mit dem Ton bringen. Einen griffigen Name haben Hirais Marketingleute auch längst gefunden. Statt um HDTV und Ultra HD geht es jetzt um HRA, kurz für «High-Resolution Audio».

Die Prämisse dahinter: Auch Töne kann man feiner rastern, als es das 30-jährige Digitalformat der CD zulässt. Die zusätzlichen ­Daten liefern mehr akustische Details, weshalb man der ori­ginalen Studioaufnahme näherkommt. Nicht komprimierte Musik soll also den Ansprüchen des Audio­philen genügen. Jetzt sei die richtige Zeit für den Qualitätssprung, ­sagte später ein Audio-Inge­nieur von Sony in einem Workshop zu Journa­listen, weil heute die nötigen Bandbreiten vorhanden seien.

Einfach dürfte es nicht sein, ein hochwertigeres Format zu etablieren. Im Jahr 1999 entwickelten Sony und Panasonic die «Super Audio Compact Disc» (SACD) als Nachfolgerin der Audio-CD. Kurz darauf kam die DVD-Audio, die sich nicht durchsetzen konnte.

Menschliches Ohr kann Töne ab 44 kHz nicht wahrnehmen

Was aber ist HD für die Ohren ­genau? Das ist nicht eindeutig zu beantworten. Im Gegensatz zum Bildformat gibt es keinen Standard. Allgemein wird so genannt, was eine höhere Auflösung und Abtastrate hat als die CD (16 Bit/44 kHz). In der Regel handelt es sich bei High-Resolution-Audio um Musik mit Auflösung und Abtastrate von 24 Bit und 96 kHz bzw. 24 Bit und 192 kHz.

Ob der Qualitätsunterschied hörbar ist, darüber streiten sich die Kritiker. Unterstützt wird HRA von den Musikfirmen, von Elek­tronikherstellern und Künstlern wie dem Pianisten Lang Lang. Ein grosser Fan ist auch Neil Young, der einen portablen Hi-Res-Musikspieler namens Pono mit einer Abtastrate von 192 kHz auf den Markt brachte.

Doch Kritiker wie Christopher «Monty» Montgomery, Gründer der Xiph.org, sind nicht weit. Sie führen ins Feld, dass das menschliche Ohr theoretisch den Unterschied von Tönen mit höherer Abtast-Frequenz als die 44 kHz der CD nicht wahrnehmen könne. Die Beurteilung von Musik ist wie jene von Wein eine Sache der Wahrnehmung, die nicht selten von objektiven Messwerten abweicht.

Deshalb wollten wir uns an der IFA, zu der uns Sony einladen hatte, selbst ein Bild respektive einen Ton machen, was nicht einfach war. Am HRA-Workshop spulte der Experte Powerpoint-Folien ab, spielte aber keinen einzigen Ton. Und bei den Demos am Stand bekamen wir nur wenige Minuten zu hören. Sie überzeugten uns von einer ­hervorragenden Tonqualität, doch den Vergleich mit einer CD blieb man schuldig. Sicher ist, dass wir den Unterschied zwischen MP3 und einem Hi-Res-Stück trotz HR-­Kopfhörern auf Sonys Walkman A15 nicht hören konnten.

Die meisten Hi-Res-Audio-Gerätschaften haben die Fähigkeit, MP3- oder AAC-Dateien in hochauflösende Files hochzurechnen. Doch die beste Qualität liefern ursprüngliche HRA-Musikdateien. Man findet sie in verlustfreien Formaten (.wav, .aiff, .flac etc.) auf Musikportalen wie Highresaudio.com oder Linnrecords.com. Noch ist das Angebot lückenhaft.

Das neue Audio-Format dürfte Bewegung in den Hi-Fi-Markt bringen; so hat Panasonic an der IFA die Marke Technics für HD-Musik wieder aufleben ­lassen. Nachdem Schwergewichte wie LG oder Samsung auf den Zug ­aufgesprungen sind, können auch Smartphones und Tablets Musik im neuen Format abspielen. Auch Apples iPhone 6, das kommende Woche erwartet wird, soll damit umgehen können. Das dürfte dem HRA nochmals Schub verleihen.