"Die Lumias floppen nicht"

Michael Halbherr , 48, ist der Schweizer bei Nokia. In Barcelona am Mobile World Congress 2012 sprach er mit mir über Nokias Ziele im Smartphone-Markt, über die "Heirat" mit Microsoft und über das Jahr der Entscheidung 2012

Was hat Nokia für einen Anspruch im Smartphone-Markt? Will man einfach mitmischen oder…

Nokia hat ganz klar den Anspruch, das dritte Ökosystem zu lancieren. Das haben wir auch sehr erfolgreich gemacht. Zwei Firmen, die eine, Nokia heute Weltmarktführer bezüglich Anzahl verkaufter Handys und Microsoft mit starker Software können nicht den Anspruch haben, einfach nur mitzumischen.

Inwiefern profitiert Nokia von der Zusammenarbeit mit Microsoft?

Unsere Partnerschaft ist vielschichtig. Wir haben uns für diese Arbeitsteilung entschieden und vertrauen darauf, dass Microsoft das Betriebssystem baut. Wir übernehmen im Bereich Software alles, was mit Location und Karten zu tun hat.

Aber was ist Nokias Vorteil gegenüber Samsung oder HTC? Zahlt es sich aus, dass Nokia im Gegensatz zu diesen Mitbewerbern ausschliesslich auf Windows Phone setzt und nicht auch auf Android?

Wir entwickeln mit Microsoft zusammen das Betriebssystem. Wir wollen primär das Windows Phone-Ökosystem erfolgreich machen und gleichzeitig als führender Spieler in diesem Ökosystem ebenfalls erfolgreich sein. Im Gegenzug gibt es aber gewisse Applikationen wie das neue Nokia Transport exklusiv auf Nokia Handys. Gleichzeitig wird wir aber unsere  Location-Plattform, auf der Apps wie Nokia Public Transport laufen,  auch Mitbewerbern zu Gute kommen, wenn sie sie lizenzieren. Es gibt Exklusivität und Parität. Man muss sehr offen denken.

Was halten Sie dem Angriff aus Asien entgegen? ZTE, Huaweiund andere stellen hier Barcelona eine Armada von Highend-Smartphones vor.

Wir müssen uns klar von der Konkurrenz unterscheiden. Diese Hersteller haben eine Hardware und eine lizenzierte Standardsoftware und greifen über den Preis an. Wir aber investieren in die Entwicklung. Von Nokia arbeiten 8000 Leute im Bereich Location. Wir haben Navigationen in über 91 Ländern, Karten in über 150 Ländern. Von der Konkurrenz bietet das keiner.

Sie glauben, Nokias Zukunft liegt in der Location-Plattform?

Ja, das wird künftig im mobilen Bereich immer wichtiger. Schon heute ist alles ortsbezogen, mein Check-in, meine Kommunikation und mobile Suchanfragen sind zu 40-50 Prozent ortsbezogen. Da haben wir mit unserer Plattform unheimliche Differenzierungmöglichkeiten.

Waren Sie zufrieden mit der heutigen Präsentation von Nokia?

Die war natürlich sehr gut.

Ich bin eben etwas enttäuscht…

Weshalb?

Gewinnt man in diesem Markt an Boden, wenn man ein Smartphone mit dem veralteten Symbian Bell OS präsentiert, weil es 41 Megapixel hat?

Das muss man anders sehen. Es geht nicht darum, dass wir einfach 41 Megapixel reingehauen haben. Vielmehr hat Nokia mit Nokia Pureview eine einmalige Fototechnologie entwickelt. Die Bildqualität bei schlechten Lichtverhältnissen ist einfach phänomenal; und sie können ohne Pixelverlust zoomen. Das ist ein komplett neuer Standard für die Imageingtechnologie, den wir sukzessive auf Windows Phone transponieren werden. Wir haben vor Jahren mit dieser Entwicklung auf Symbian begonnen.

Warum soll sich jemand für ein Windows Phone-Handy entscheiden?

Es ist stylish, schnell und simpel. Es gibt kein einfacheres und schnelleres OS. Das E-Mail ist absolut einzigartig. Auch die Einbindung von Twitter und Facebook,  und die Location-Anwendungen sind klare Unterscheidungsmerkmale.

Nokia hat viele treue Fans, die unbedingt ein Nokia wollen. Aber Nokia lässt sie im Regen stehn.

Warum?

Nokia macht nichts aus diesem Kapital.

Ich glaube, wir bleiben unserm Credo treu. Wir bauen Handys für alle Preissegmente. Und wir wollen Qualität in allen Preissegmenten.

Aber die Leute wissen nicht, was sie kaufen sollen.

Man muss das Problem von Nokia verstehen. Das ist eine riesige Maschine. Von einem Betriebssystem in ein anderes wechseln, das geht nicht in einem Jahr, das dauert. Ich glaube, dass wir sehr klar sind und zeigen, wohin die Reise mit Windows Phone geht. Mit den heutigen Vorstellungen erweitern wir sukzessive die Palette und haben grosse Sprünge gemacht. Deswegen haben wir bis jetzt vier neue Smartphones mit Windows Phone vorgestellt.

Die Smartphones gefallen mir gut. Aber Nokia ist zwei Jahre zu spät dran.

Wir hatten strukturelle Probleme. Und man muss es zugestehen: Die Symbian Plattform hat sich nicht schnell genug entwickelt. Aber wenn man jetzt schaut, wie Nokia innerhalb von einem Jahr vier Geräte baut, massiv Produkte-Innovation betreibt, sich durch Dienste abhebt, dann steht Nokia wieder für Innovation.

Beim neuen Symbian-Handy Nokia Pureview kann man nicht vom  Windows-Ökosystem profitieren.

Nein, aber Sie kaufen das ja nicht wegen des Ökosystems. Sie kaufen es, weil Sie eine gute Kamera wollen.

Lumia 900 kommt zuerst in den USA auf den Markt. Ist Europa nicht mehr wichtig für Nokia?

Man kann Nokia nicht alles negativ auslegen. Alle anderen bringen ihre Produkte zuerst in den USA auf den Markt. Das hat den Vorteil, dass man auf einen Schlag einen riesigen Markt erreicht. In Europa startet man in einem  Land nach dem anderen. Das dauert länger.

Warum macht sich Nokia so abhängig von Microsoft? Warum nicht auch auf Android setzen? Das wäre der Fünfer und Weggli gewesen.

Nein, nein. Man kann nicht Fünfer und Weggli haben.

Samsung tanzt auch auf zwei Hochzeiten, mit Googles und Microsoft.

Samsung macht Umsatz, weil es die  primäre Plattform für Android ist und mit Google zusammen arbeitet.

Sie glauben, dass Nokia sich auf ein OS konzentrieren muss?

Nochmals: Meine Leute entwickeln am Microsoft Betriebssystem mit. Wenn ich Fünfer und Weggli machen will, dann wird sich ein Terry Myerson von Microsoft nicht auf mich verlassen. Das ist wie heiraten. Dann sagen Sie auch nicht: Fünfer und Weggli. Dann sagen Sie: Das ist es jetzt und zusammen werden wir stärker.

Was passiert, wenn die Lumia-Serie floppt?

Die Lumias werden nicht floppen. Man kann nicht in einen Wettkampf einsteigen und sich mit dem Scheitern befassen. Mental ist das nicht hilfreich.

Und wenn doch? Wie lautet Plan B?

Das floppt nicht. Wir sind sehr zufrieden mit dem Tempo, das wir haben. Und die Presseberichte in den USA sind besonders gut.

2012 - das Jahr der Entscheidung für Nokia. Sehen Sie das auch so?

Nicht eines der Entscheidung, aber ein wichtiges Jahr. Die Firma geht durch einen grossen Wandel, der vor einem Jahr in die Wege geleitet wurde. Wir haben klare Ziele definiert und jetzt heisst es umsetzen. Ich habe meinem Team anfangs Jahr gesagt: „This is a year of quality“.

Ich frage mich einfach, ob das reicht.

Ich mich nicht. Ich frage mich ja auch nicht, wenn ich heirate, ob ich mich scheiden lasse. Ich habe mich entschieden und irgendwann ist es vielleicht so weit. Aber ich konzentriere mich auf die Arbeit. Karten machen mir Spass, jeden Tag wieder aufs Neue.

14.3.2012