SonntagsZeitung

– 05. März 2017

Mensch & Maschine

Ein bisschen Nostalgie vor dem nächsten grossen Ding

Heuer war der Mobile World Congress in Barcelona (MWC) irgendwie anders. Der Ort, wo sich alljährlich die grössten Handyhersteller mit ihren neusten Boliden zum international viel beachteten Kräftemessen treffen; wo sich Samsung, HTC und später Huawei erbitterte Kämpfe um Bildschirmgrösse, Prozessorstärke und ausgeklügelte Kamera-Features lieferten und sich asiatische Mitstreiter wie Oppo oder Xiaomi erstmals in der internationalen Arena zeigten – dieser Ort wurde 2017 von Nokias 3310 beherrscht. Ein wieder aufgelegtes Tastentelefon aus Plastik, das ausser telefonieren und simsen nichts kann, stahl allen die Show.

Das gibt zu denken. Sicher fehlte es an den wirklich grossen Würfen – Apple ist dem MWC schon immer ferngeblieben und stellt neue iPhones traditionell im Herbst vor, Google mit dem Pixel Phone ebenfalls, und Samsung tat 2017 mit der auf den 29. März aufgeschobenen Präsentation seines Galaxy S8 nichts anderes. Aber das allein kann nicht der Grund für diese Antisensation sein. Es ist, als wären die Leute müde, Jahr für Jahr die Mini-Upgrades in Barcelona mitzuverfolgen – schneller, dünner, weniger Rand. Ein Smartphone bleibt ein Smartphone. Dazu kommt der allgemeine Trend zu mehr Natur und Ruhe statt Technik und Stress, der sich auch im Hype ums Nokia 3310 niederschlägt. Viele Menschen sehnen sich zurück zu Vinyl, Polaroid und Snake, als alles noch vorhersehbarer war.

Etablierte sich der MWC in den letzten Jahren also als wahres Kunden-Eldorado, in dem sich alles ums Smartphone und Zubehör von Kamera bis Drohne drehte, hat sich der Fokus 2017 deutlich verschoben. Noch nie zuvor empfand ich den Kongress so stark als Business-Event. An allen Ecken präsentierten Konzerne technische Entwicklungen und Lösungen: Audi & Co. waren mit «connected», «selfdriving cars» und E-Autos vor Ort, es wimmelte von Robotern, die noch präziser arbeiten, Chipmacher zeigten neue Prozessoren, die in ebendiesen Autos und Robotern stecken, Netzwerkausrüster bieten Internet-of-Things-Netze für Firmen, HP zeigt Telcos, wie sie näher zum Kunden kommen, jeder liefert smarte Heime, mehr Sicherheit. Und über all dem stand als grosses Thema 5G (Foto), der nächste Mobilfunkstandard, mit dem unsere Daten mit bis zu 10 Gigabit/s durch den Äther jagen werden.

In diesem Kontext ist das Nokia 3310 als kurzfristiges Inne- oder Festhalten vor dem grossen Tsunami zu verstehen, der in Kürze über uns hereinbrechen und alles kräftig durchschütteln wird – mehr, als es ein neues iPhone je könnte.