Beitrag vom 2.12.2012 (PDF)

WER BRAUCHT DAS NUR? WIR ALLE 

Vergangene Woche führte die Swisscom das LTE-Netz für Smartphones ein. Solche Veranstaltungen stimmen mich immer etwas melancholisch. Es ist noch nicht allzu lange her, da machte ich meine erste Pressereise mit Siemens nach Madrid. Anlass war UMTS, der Mobilfunkstandard der 3. Generation. Auch das Schweizer Fernsehen war vor Ort, als wir im Testcenter eine UMTS-Antenne beäugen konnten und Zeugen wurden, wie in einem fahrenden Auto ein Videotelefonanruf durchgeführt wurde. Wow! Das war mehr, als was wir von der 2. Generation GSM und GPRS gewohnt waren. Bloss: Wer brauchte das?

Drei Jahre später, 2004, lancierte die Swisscom offiziell UMTS. Als Killeranwendung hypte die Marketingabteilung den Videoanruf. Mit einem Sony-Ericsson-Klapphandy konnten wir - ein paar Journalisten - uns tatsächlich erstmals beim Telefonieren sehen. Cool. Der Videocall hat sich zwar nicht mal ansatzweise durchgesetzt, aber immerhin war mit 3G/UMTS die Basis für eine andere Erfindung gelegt: Steve Jobs Smartphone. Ihm haben es die Telcos letztlich zu verdanken, dass der mobile Datenverkehr ins Unermessliche steigt und ihre Kassen klingeln lässt. Vor drei Jahren reiste ich deshalb mit der Firma Alcatel nach Paris. Anlass war LTE, der Mobilfunkstandard der 4. Generation. Das Schweizer Fernsehen war nicht dabei, als wir in einem Transporter, der um eine 4G-Antenne kreiste, Zeugen wurden, wie der Mann am Laptop in Echtzeit über das Netz mit einen Kollegen ein Racing-Game spielte. Wow! Bloss: Wer brauchte das?

Vergangene Woche nun startete die Swisscom ihr 4G-Netz. Damit könne man im Auto Videos streamen, online gamen und vor allem Videoclips im Nu in der Cloud speichern, schwärmte Marketingchefin Alexandra Reich. Mega. Wer das braucht? Wir alle, auch wenn wir das noch nicht wissen. Und die Pressereise zu 5G kommt bestimmt.

Publiziert am 2.12.2012
von: sonntagszeitung.ch