Erschienen in: SonntagsZeitung, 2. Oktober 2011, (PDF)

Der perfekte Augenblick

Nikons neue Philosophie – kompakt, extrem schnell, mit Wechselobjektiven und elektronischem Sucher

Im Laufe der letzten zwei Jahre haben sich die spiegellosen Kameras mit Wechselobjektiven von Apparaten mit Potenzial zu eindeutigen Massenprodukten entwickelt. Nachdem Olympus, Panasonic, Samsung und Sony ihre Systeme zu ernst zu nehmenden Spiegelreflex-Alternativen aufgebaut haben, zieht nun auch Nikon nach. Das Resultat heisst Nikon 1, gestartet wird mit zwei Kameras J1 (708 Franken) und V1 (1030) – und vier Objektiven. Die V1 konnten wir ein paar Tage testen.

Hält man sie in der Hand, fallen sofort die gute Verarbeitung und das edle Magnesiumgehäuse auf. Sie ist kompakt, passt aber nicht in den Hosensack. Ein grosses Plus ist der elektronische Sucher, der bei der J1 und allen anderen Systemkameras fehlt. Dabei macht er erst eine genaue Bildkomposition möglich, auch bei Sonnenschein, und verringert die Gefahr des Verwackelns.

Bald wird auch deutlich, was für ein technisch hochstehendes Kraftpaket die V1 ist. Die Autofokus-Funktion – bisher ein Schwachpunkt dieser Klasse – ist schnell, laut Nikon sogar flotter als jene der hauseigenen Spiegelreflexkameras (SLR). Sie schafft 10 Bilder pro Sekunde von Objekten, die sich bewegen, und sagenhafte 60 in der Sekunde mit fixem Fokus. Zudem ist sie die erste Kamera, mit der ich während des Filmens voll aufgelöste Fotos schiessen kann – eine Funktion, die ich nach anfänglicher Skepsis nicht mehr missen möchte. Möglich macht diese Kraftakte ein neuer, superschneller Bildprozessor.

Umso mehr erstaunt, dass im Innern der V1 ein CMOS-Bildsensor sitzt, den Nikon extra für die 1-Kameras entwickelte, der aber um einiges kleiner ist als jene der Konkurrenz. Dies hat mehr Bildrauschen und weniger Lichtstärke zur Folge; das optionale Blitzgerät kostet 178 Franken.

Als «revolutionär» preist Nikon zwei neue Modi an, die ich eher als Spielerei betrachte: Im einen filmt die Kamera vor dem Auslösen eine Sekunde in Zeitlupe und montiert beides zu einem «lebendigen Bild». Im anderen macht sie vor und nach dem Auslösen blitzschnell 20 Bilder und speichert die besten fünf. Dass diese Modi (zusammen mit dem Film-Modus) die Funktionen des Drehrads belegen, leuchtet nicht ein. Es hat zur Folge, dass ich Einstellungen wie Blende oder ISO über das Menü vornehmen muss, was unnötig umständlich ist.

Die Nikon 1 eignet sich kaum als Zweitapparat für SLR-Fotografen. Sie hat aber eine Chance als handliche Familienkamera, die toll filmt und brillante (Kinder-)Fotos schiesst. Ab 20. Oktober ist sie in den Farben Schwarz und Weiss verfügbar.

Preis-Leistung★★✩✩

Bedienung★★ ✩✩

Design★★★★

Akku★✩✩✩