Beitrag vom 27.10.2013 

Scheinheilige Kampagne

Wir haben es alle mitbekommen: Die Stiftung Pro Juventute (lat. «für die Jugend») startete diese Woche eine Aufklärungskampagne zum «neuen Jugendrisiko Sexting». Sie haben, wie acht von zehn Schweizern, nie zuvor von Sexting gehört? Das ist der Beweis, dass Aufklärung nottut, so die Logik der Pro Juventute. Und nicht etwa, dass Sexting wenig verbreitet sein könnte (lediglich sechs Prozent der Jugendlichen sind betroffen). Oder dass der neue Begriff etwas meint, das man längst als Form von 

«Cybermobbing» kennt: Jugendliche - vor allem Girls - verschicken intime Fotos von sich, die (meist von Jungs) missbraucht, im Netz verbreitet werden und das Leben der Betroffenen zur Hölle machen.

Es musste also eine Kampagne her, weil 59 Prozent der vom GFK-Institut befragten Erwachsenen meinten, Jugendliche könnten die Folgen von Sexting nicht abschätzen; und weil der schlohweisse Jugendpsychologe Urs Kiener, Leiter Produkte bei Pro Juventute befürchtet, dass bald jeder Fünfte von Sexting betroffen sein wird.

Das ist scheinheilig. Pro Juventute mischt mit Sexting primär ihr Image auf. Statt Jugendlichen mehr zuzutrauen! Sie sind im Netz gross geworden; sie kennen die Risiken besser als mancher Experte und verhalten sich entsprechend, so Studien. Aufgeklärt wird hier vielleicht das Tagesschau-Publikum - Pro Senectute (lat. «für das Alter») wäre passender.

Simone Luchetta

Publiziert am 27.10.2013
von: sonntagszeitung.ch