Beitrag vom 4.11.2012

HIRNAMPUTIERTE COUCH-POTATOES

Ich kann es kaum glauben. Da wagt der behäbige Softwareriese Microsoft, nicht gerade bekannt für seine Experimentierfreude, mit Windows 8 endlich mal einen Coup, schreit die ganze Computerwelt auf. Vom kleinen Blogger bis zum Tech-Journalisten der «New York Times» scheint derzeit niemand ein grösseres Problem zu kennen als: «Hilfe, mein Startknopf ist verschwunden.»

Dabei lamentierten die gleichen Leute (ich eingeschlossen) während Jahren, wie veraltet, kompliziert und benutzerunfreundlich dieser «Windows-Crap» sei. Viele Firmen scheuten sich, ihre PC-Infrastruktur aufzurüsten, weil Microsoft für die Herausforderungen, welche die Verschiebung zum mobilen Computing stellte, keine, aber auch gar keine Lösung parat hatte. So kam es, dass wir heute (fast) alle daheim IT-mässig besser ausgerüstet sind als im Büro, wo eine alte XP-Kiste werkelt.

Was wird nebst dem fehlenden Startknopf bejammert? Dass Microsoft die neue, bunte Kachelwelt von Windows 8 nicht nur aufs Smartphone und Tablet bringt, sondern - richtig frech und anders als Apple - auch dem Desktop-PC überstülpt. Dabei eigne sich die für den Touchscreen optimierte Kachelwelt absolut nicht für die Bedienung mit Maus und Tastatur. Gewünscht werden zwei getrennte Versionen, ultrakonservative Tester raten ernsthaft, gleich bei Windows 7 zu bleiben.

Sicher, Microsoft mutet mit dem neuen Betriebssystem dem langjährigen Windows-Nutzer einiges zu. Dieser wird gefordert. Gott sei Dank, kann ich nur sagen! Oder sind wir allesamt hirnamputierte Couch-Potatoes, die nichts mehr dazulernen können? Kaum. Schliesslich haben wir uns doch auch die fremde, wunderbare iWelt des Steve Jobs mit diesen Apps und Touchscreens angeeignet. Und der Aufwand hat sich gelohnt, oder?

Publiziert am 04.11.2012
von: sonntagszeitung.ch